Unser Blick auf 2021

Wer 2020, im ersten Jahr der Pandemie, dachte, volatiler könne die Welt nicht werden, wurde im Vorjahr eines Besseren belehrt: vom Sturm des Kapitols in den USA, der Blockade des Suezkanals und der weltweiten Verbreitung hochansteckender Virusmutationen, von Container- und Halbleitermangel sowie Preisverwerfungen bei Energie- und Materialkosten. Wie wir diese Herausforderungen gemeistert haben, erzählt BENTELER-CEO Ralf Göttel im Interview.

Herr Göttel, wir wollten über das vergangene Geschäftsjahr sprechen. Der Krieg in der Ukraine hat jedoch alles verändert...

Wir alle verfolgen die aktuellen Entwicklungen mit tiefer Bestürzung. Krieg kennt nur Verlierer. Als BENTELER verurteilen wir kriegerische Handlungen, stehen zu demokratischen und rechtsstaatlichen Grundprinzipien und leben unsere humanistischen Werte.

Wir sind aufgrund des Krieges untröstlich – aber wir sind nicht hilflos: Schon heute unterstützen wir unsere unmittelbar betroffenen Kolleginnen und Kollegen auf vielfältige Weise vor Ort. Zum Beispiel bei der Zusammenführung von Familien, der Organisation von Unterkünften und Arztbesuchen, der Kommunikation oder bei Lohnvorschusszahlungen. Mein besonderer Dank gilt – im Namen des gesamten Unternehmens – allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von BENTELER. Viele haben sich auf unterschiedliche, spontane und unbürokratische Weise engagiert, um den Opfern dieses Krieges zu helfen.

Als weltweit tätiges Unternehmen hat der Krieg auch direkte wirtschaftliche Auswirkungen auf uns. In vielen Fällen sind die Lieferketten in der Automobilindustrie unterbrochen worden. Das hat Auswirkungen auf die Abrufe unserer Kunden und damit auf unsere Produktion – vor allem in Nordeuropa. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, diese Auswirkungen abzumildern.

Stabile politische Rahmenbedingungen sind eine Grundvoraussetzung für wirtschaftlich erfolgreiches Handeln. Wenn dies nicht, oder nicht mehr gegeben ist, sind Agilität und Resilienz gefragt. Kurz: Die aktuellen Geschehnisse zeigen, wie wichtig es war, dass wir uns flexibel aufgestellt und unsere Transformation fortgesetzt haben – trotz der schwierigen Bedingungen, die im Vorjahr geherrscht haben.

Welches Resümee ziehen Sie für das Jahr 2021?

Das vergangene Jahr war geprägt von einem volatilen Marktumfeld. Was wir in dieser Zeit erlebt haben, war mit Sicherheit in keiner Jahresplanung enthalten. Auch nicht in unserer. Wir sind trotzdem der zuverlässige Partner der Automobilindustrie geblieben – wir haben gehalten, was wir unseren Kunden versprochen hatten. Mehr noch. Wir haben zugleich unsere Transformation erfolgreich fortgesetzt. Konsequent, mit dem Ziel, noch agiler, resilienter und wettbewerbsfähiger zu werden.

Welche Transformationsmaßnahmen waren aus Ihrer Sicht essenziell?

Wir haben in den vergangenen Jahren gelernt, in einem sich schnell verändernden, disruptiven Marktumfeld, schnell, agil und effektiv zu reagieren – beispielsweise beherrschen wir nun unterschiedliche Instrumente, um unsere Kosten zu flexibilisieren. Auf dieser Transformationskompetenz und unserer verbesserten Widerstandsfähigkeit bauen wir jetzt auf.

Gleichzeitig haben wir unsere Kernkompetenzen gestärkt, haben das Produktportfolio, Prozesse und unsere globale Standortverteilung entsprechend optimiert. Wir haben weiter an Geschwindigkeit und Agilität gewonnen, indem wir sowohl BENTELER-intern als auch in neuen Kooperationen mit externen Partnern zusammenarbeiten. Dieses Momentum nutzen wir, um schnell und flexibel auf Veränderungen des Marktes und neue Kundenbedürfnisse einzugehen – aktiv, aus eigenem Antrieb. Weil wir als Team Freude daran haben, Mobilität zu gestalten.

Wie haben sich die zahlreichen Herausforderungen des vergangenen Jahres auf das Ergebnis der BENTELER Gruppe ausgewirkt?

Die gemeinsamen Anstrengungen der vergangenen Monate, ja Jahre, werden nun belohnt – wir haben wettbewerbsfähige Kostenstrukturen, können uns dynamisch auf unterschiedlichste Veränderungen einstellen und sind auch finanziell auf einem guten Kurs.

Trotz des schwierigen Marktumfeldes 2021 – gekennzeichnet durch Preissteigerungen im Bereich Energie- und Materialkosten, den globalen Halbleitermangel und die hohe Marktvolatilität – ist es uns gelungen, all unsere gesteckten Ziele zu erreichen. Wir haben bewiesen, dass wir ein relevanter, verlässlicher Partner sind. Das bestätigen auch unsere Kunden: Sie vertrauen uns – und bedachten uns im Vorjahr mit einem Rekordniveau an Auftragseingängen.

Das Ergebnis unserer Bemühungen schlägt sich auch im Jahresabschluss nieder: Trotz der Marktbedingungen haben wir 2021 im Vergleich zum Vorjahr sowohl unseren Umsatz (von 6,4 auf 7,3 Milliarden Euro) als auch unser EBITDA gesteigert – letzteres substanziell, von 160 Millionen Euro auf rund 330 Millionen Euro. Wir setzen unseren Weg des profitablen Wachstums fort.

Und wie stellt sich das in den Divisionen dar?

Das Vorjahr begann trotz der pandemiebedingten Herausforderungen für die Division Automotive vielversprechend. Ab der Jahresmitte traf uns der Halbleitermangel – vor allem in Form kurzfristiger Abrufstornierungen. Dennoch konnte die Division den Umsatz um rund zehn Prozent auf 6,2 Milliarden Euro und so auch das Ergebnis im Vergleich zum Vorjahr deutlich steigern – durch verbessertes Kostenmanagement, Effizienzsteigerungsprogramme und die erfolgreiche Umsetzung der Flexibilisierungsmaßnahmen.

Der Markt der Division Steel/Tube lag über den Erwartungen, insbesondere die Nachfrage im Öl- und Gasbereich. Wir haben den Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um rund 50 % auf 1,1 Milliarden Euro gesteigert. Durch die konsequente Fortsetzung der Transformation und die Umsetzung interner Maßnahmen wie der Verbesserung des Kostenmanagements konnte die Division ihre Leistung deutlich steigern: Trotz stark erhöhter Vormaterialpreise, die erst dieses Jahr weitergereicht werden können, schloss die Division Steel/Tube 2021 erfolgreich ab.

Was bedeuten diese Erfolge für die Zukunft der BENTELER Gruppe und für die weitere Umsetzung des Transformationsprogramms?

Hätten Sie mich noch vor fünf Wochen gefragt, als wir das Geschäftsjahr 2021 abgeschlossen haben, hätte ich gesagt: In den kommenden zwei Jahren wird von einer Erholung der Weltkonjunktur ausgegangen; dies gilt auch für unsere Märkte, wenngleich regional unterschiedlich – diese Erholung ist allerdings von vielen Faktoren abhängig. Die Auswirkungen der Pandemie müssten sich weiter abschwächen, die Lieferengpässe überwunden werden sowie die Inflation nachlassen. All das ist nicht fix. Nun kamen noch die Unwägbarkeiten des Ukraine-Konfliktes dazu, neben dem menschlichen Leid auch die Auswirkungen auf die Lieferketten und die Energie- und Rohstoffpreise. Die Zukunft bleibt also ungewiss.

Wir sind dennoch zuversichtlich: Wir werden unsere finanzielle Stabilität ausbauen und unsere Position als Leistungsträger der Industrie festigen. Durch unsere früh angestoßene und konsequent umgesetzte Transformation können wir nun in eine Phase der kontinuierlichen Verbesserung übergehen.

Und wie blicken Sie persönlich in die kommenden Jahre?

Dank unserer Transformation sind wir als 25.000-köpfiges Team bestens gerüstet, um auch auf volatilen Märkten zu bestehen und zugleich die Mobilität von morgen zu gestalten – sie durch unsere Expertise als Metall-Prozess-Spezialist leichter, sicherer und nachhaltiger zu machen. Genau dieser Wille treibt uns an. Auch mich persönlich. Daher habe ich kürzlich meinen Vertrag als Vorstandsvorsitzender der BENTELER Gruppe bis 2026 verlängert. Ich freue mich sehr auf die kommenden Jahre gemeinsam mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Eine Abschlussfrage: Was stimmt Sie so zuversichtlich für die Zukunft? Und motiviert Sie, diesen Weg bis mindestens 2026 mit BENTELER zu gehen?

Wir alle brauchen leistbare, sichere Mobilität. Weltweit. Wir bei BENTELER haben das Know-how, diese zudem nachhaltig zu gestalten. Jeder einzelne, mit seinen Stärken. Gemeinsam im Team werden wir die kommenden Herausforderungen – von der Transformation über Digitalisierung bis zur Nachhaltigkeit – meistern. Wir sind ein People Business! Wir wollen eine Kultur leben, die gekennzeichnet ist von unseren Unternehmenswerten – dem Mut neue Wege zu gehen, der Ambition täglich nach Höchstleistung zu streben und dem gegenseitigen Respekt im Umgang miteinander. Das sehen wir, sehe ich, als ganz wichtig für die Zukunft. Für uns selbst, für unsere Kunden, für die Gesellschaft.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

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